Die Kunst, von der Kunst zu leben: Antonia Josefa ist selbstständige Poetry-Slammerin
Ob auf Poetry-Slam-Bühnen, bei politischen Veranstaltungen oder in Workshops – mit ihren Texten schafft Antonia Josefa eine Gratwanderung zwischen Poesie und Gesellschaftskritik. Ihr Weg in die künstlerische Selbstständigkeit war keineswegs geradlinig. Im Gespräch erzählt die Poetry-Slammerin von Herausforderungen in ihrem Werdegang.
Schon in ihrer Kindheit schrieb Antonia Josefa gern und war fasziniert von Sprache. Die Idee, mit ihren Texten einmal vor Publikum zu stehen, war damals fern. Ein Festivalbesuch vor zehn Jahren brachte die erste Wendung: Dort sah die heute 27-Jährige zum ersten Mal einen Poetry-Slam. „Ich fand das Format einfach total cool und dachte mir: Hey, das möchte ich auch mal ausprobieren.“ Sie wagte ihre ersten Auftritte noch im selben Jahr, doch die regelmäßige Bühnenpräsenz blieb zunächst aus. „Es kamen immer andere Dinge dazwischen, und ich habe es nicht konsequent verfolgt“, erzählt sie.
Der Weg zum Poetry-Slam
Erst in der Corona-Zeit änderte sich das. „Plötzlich war das Leben im Stillstand, und ich hatte die Zeit und Ruhe, mich wieder dem Schreiben zu widmen.“ Sie schrieb neue Texte, nahm wieder an Slams teil und fand nach den Lockdowns 2021 zurück auf die Bühne. Von da an ging alles schnell. „Ein Auftritt führte zum nächsten, ich bekam Einladungen zu anderen Veranstaltungen. Vieles hat sich gefügt, ohne dass ich es gezielt herausgefordert hätte.“
Heute ist Antonia Josefa weit mehr als eine Poetry-Slammerin. Etwa die Hälfte ihrer Arbeit besteht aus Auftritten auf Veranstaltungen, die anderen Hälfte aus Workshops, Auftragsarbeiten und der Organisation eigener Events. Besonders reizt sie die Vielfalt ihres Berufs: „Das Schöne an Poetry-Slam ist, dass es ein adaptives Format ist. Es passt zu Jubiläen, Demos oder politischen Podien. Ich kann meine Themen auf ganz unterschiedliche Weisen einbringen.“
Die Entscheidung, alles auf die Kunst zu setzen
Antonia hat Philosophie und Englisch studiert, doch das Studium erfüllte sie nicht. „Ich war immer auf der Suche, wusste aber lange nicht, wohin ich wollte.“ Die Entscheidung, das Studium kurz vor dem Abschluss abzubrechen, fiel ihr nicht leicht – auch, weil sie von vielen Seiten auf Widerstand stieß. „Meine Familie und auch einige Menschen aus der Slam-Szene rieten mir, das Studium abzuschließen. Aber ich hatte das Gefühl, dass ich keine Wahl hatte. Das Schreiben und Auftreten fühlte sich so richtig an, dass alles andere plötzlich keinen Sinn mehr ergab.“
Ihr Hauptargument war die Erkenntnis, dass sie für sich auf der Bühne mehr bewirken konnte als durch die akademische Auseinandersetzung. „Im Studium sollte ich alles distanziert und objektiv betrachten. Doch ich wollte Emotionen nutzen, um Menschen zu erreichen.“ Diese Nähe zwischen ihrer Kunst und ihrer Persönlichkeit sieht sie jedoch als Fluch und Segen. „Wenn etwas gut läuft, ist das Glücksgefühl umso intensiver. Aber wenn ich unzufrieden bin oder etwas nicht klappt, trifft es mich umso härter.“
Tipps für junge Menschen mit künstlerischen Träumen
Antonia weiß, dass der Schritt in die Kunstwelt herausfordernd ist. Dennoch ermutigt sie junge Menschen, ihre kreativen Leidenschaften zu verfolgen – aber mit einer realistischen Haltung. „Von Kunst zu leben ist ein großes Privileg, das nicht jedem offensteht. Talent allein reicht oft nicht, und viele Menschen arbeiten hart, ohne davon leben zu können.“
Trotzdem möchte sie niemanden entmutigen. „Ich finde es schade, dass unsere Gesellschaft einerseits Kunst in allen Formen genießt, andererseits aber oft davor warnt, Kunst zum Beruf zu machen. Wenn du das Gefühl hast, dass es das Richtige ist, dann verfolge es. Aber es kann helfen, nicht alles sofort auf eine Karte zu setzen. Manchmal ist es besser, die Kunst parallel zu etwas anderem aufzubauen.“ Antonia selbst hat neben ihren Auftritten früh begonnen, Workshops zu geben, und sieht darin eine wichtige Einnahmequelle. „Man kann kreativ sein und gleichzeitig Formate entwickeln, die andere inspirieren. Das bringt nicht nur finanzielle Stabilität, sondern auch neue Perspektiven.“
Ihr wichtigster Rat ist jedoch, nicht allein auf den kommerziellen Erfolg zu schauen. „Setz die Kunst an sich ins Zentrum. Wenn du liebst, was du tust, und dich darin ausdrücken kannst, wird sich vieles fügen. Und manchmal ergeben sich neue Möglichkeiten, die du am Anfang gar nicht im Blick hattest.“
Ein unterstützendes Umfeld macht den Unterschied
Antonia betont, wie wichtig Unterstützung für sie war. Obwohl ihre Entscheidung, das Studium abzubrechen, kritisch gesehen wurde, erfuhr sie im Slammen an sich immer viel Zuspruch. „Meine Familie kommt oft zu meinen Auftritten, und mein Freundeskreis besteht aus vielen kreativen Menschen. Wir inspirieren und motivieren uns gegenseitig. Auch die Poetry-Slam-Szene ist sehr unterstützend – trotz des Wettbewerbsformats gibt es kaum Konkurrenzdenken.“
Dieser gegenseitige Support hat sie in ihrer Überzeugung gestärkt, dass Kunst kein Einzelkampf sein muss. „Das ist das Besondere an der Szene: Wir helfen einander, vermitteln Auftritte und entwickeln gemeinsame Projekte. Es fühlt sich unglaublich familiär an.“
Poetry-Slam: Zwischen Bühne und Botschaft
Antonia Josefa hat ihren Platz gefunden – als Künstlerin, Moderatorin und Workshop-Leiterin. Sie ist der Beweis, dass Leidenschaft und Mut Türen öffnen können, wenn man bereit ist, Risiken einzugehen. „Kunst bedeutet nicht nur, kreativ zu sein. Es bedeutet, für etwas zu stehen und etwas zu bewegen.“ Und genau das macht Antonia – mit Worten, die auf der Bühne und darüber hinaus wirken.
Von Marie Thielebörger
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