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„Sober curious“: Feiern ohne Kater

„Sober curious“: Feiern ohne Kater
Foto: Matthias David

Alles geht – außer Alkohol und Drogen: Ein Feier-Trend mit dem Namen „Sober curious“ kommt langsam in Deutschland an. Ein Besuch.


Parties feiern, zu hämmernden Elektrobeats tanzen, mit Freunden am Bartresen abhängen – und dabei nüchtern bleiben. Geht das überhaupt? Ja, sagt die Bewegung „Sober curious“, übersetzt „nüchtern neugierig“, die nicht nur in den USA, sondern mittlerweile auch in deutschen Großstädten immer angesagter ist. Viele verzichten dabei bewusst auf den Rausch und den Kater am nächsten Morgen, genießen statt hochprozentigen Drinks lieber Smoothies, Kokoswasser oder Ersatzprodukte wie alkoholfreien Gin oder Whisky.

In Deutschland – in Berlin, Frankfurt oder Düsseldorf – bietet die Eventreihe „Sober Sensation“ die Feierei ohne Alkohol an. Die Partys finden in unterschiedlichen Locations statt, neben Musik können die Gäste vor Ort auch mit Yoga oder Zumba in den Abend starten. Für den Kick jenseits des Alkoholrausches verwendet Veranstalter Gideon Bellin auch visuelle Effekte, etwa dampfendes Trockeneis, Glitter-Konfetti, Licht-Shows oder feuerspeiende Live-Künstler. „Zusätzlich arbeiten wir auch mit Duft-Dispensern“, erklärt der 28-Jährige im Gespräch mit MADS. „Es geht darum eine Atmosphäre zu schaffen, in der man sich gleich wohl fühlt – ohne Alkohol und Drogen.“

Die Idee für die Partyreihe kam dem Eventmanager, der auch als Speaker und DJ tätig ist, bereits mit 17 Jahren. Damals sollte er in seiner Heimatstadt Frankfurt am Main auf einer Geburtstagsfeier auflegen, Alkohol durfte dort nicht ausgeschenkt werden. „Ich war zunächst sehr skeptisch, ob so überhaupt Stimmung aufkommen kann.“ Doch der Abend war trotz der fehlenden Promillezahlen bei den Gästen ein voller Erfolg. „Ich hatte dann eigentlich immer im Hinterkopf, daraus etwas zu machen.“

„Natural high“ mit „Sober curious“

2016 startete er dann mit seiner ersten Party in Berlin, mittlerweile findet das Sober-Sensation-Event beinahe jeden Monat statt. Das Publikum ist jung, meist zwischen 20 und 30 Jahren. „Die Leute merken einfach, dass sie sich nicht immer sinnlos betrinken müssen, auch auf anderem Weg einen Hochzustand, den wir auch ,natural high’ nennen, erleben können“, sagt Bellin.

Und nicht nur in Deutschland, auch in Schweden, Polen, Slowenien und der Schweiz haben der Sober-Sensation-Gründer und sein Team schon ihre Parties gefeiert. „Für Deutschland sind 2020 insgesamt zehn Events geplant“, sagt Bellin, „zum Beispiel im Juni auf der Kieler Woche oder in München.“

10 000 feiern in London ohne Alkohol

Mit seiner Idee ist Bellin auch international nicht allein: In London etwa besuchten 2019 mehr als 10 000 Besucher das Mindful Drinking Festival, bei dem in entspannter Pub-Atmosphäre alkoholfreie Drinks ausgeschenkt werden. Mit The Virgin Mary gibt es seit Kurzem in Dublin sogar das erste alkoholfreie Pub Irlands. Und auch immer mehr Ersatzprodukte wie alkoholfreier Wein und Wermut werden rund um den Globus in den Bars und Clubs ausgeschenkt – auch in Deutschland. „In Bars oder auf Events gibt es immer mehr Gäste, die weniger oder gar keinen Alkohol trinken möchten, ohne jedoch auf die Vielfalt leckerer Drinks zu verzichten“, erklärt André Stork, Mitgründer von „Undone“ den Trend. Das Hamburger Start-Up vertreibt unter anderem Rum- oder Gin-Alternativen, die aus ursprünglich alkoholischen Destillaten gewonnen werden.

Besonders geprägt wurde das Miteinander ohne Promille-Effekt jedoch jenseits des Atlantiks in New York, von der britischen Journalistin Ruby Warrington.

„In meinen Zwanzigern war ich ein Cocktail Girl“

Vor zehn Jahren begann Warrington immer kritischer ihre Beziehung zum Alkohol hinterfragen: „Mein Körper begann zu mir zu sprechen, auf eine Art und Weise, die ich immer schwerer ignorieren konnte“, berichtet die Bestsellerautorin auf ihrem Podcast, den Interessierte auf Spotify streamen können. Bis dahin hatte sie, wie viele andere auch auf gelegentlich getrunken. „In meinen Zwanzigern war ich ein ,Cocktail Girl’ – ein Mädchen, das Alkohol trank, um Spaß zu haben.“

Warum brauchst du Alkohol? Warum trinkst du dieses Zeug, wenn es dich fühlen lässt, wie Mist? Ist es der soziale Druck oder bringt dir das wirklich etwas? Fragen wie diese kamen Warrington immer öfter. Schließlich entschied sie sich, auf auf Alkohol zu verzichten; und startete zusammen mit Freunden die Eventreihe „Club Söda NYC“, die in Manhattan mit Partys, Workshops und Vorträgen den neuen Spaß am Nüchternsein feiert.

Dabei richten sich die Initiatoren weniger an Alkoholkranke oder versprechen eine Genesung von der Krankheit. Sie wollen vor allem die Menschen ansprechen, die sich in einer sogenannten „Trinker-Grauzone“ befinden, für die etwa Wein, Bier oder Schnaps dazugehört, um unter Leuten locker zu werden.

Ähnlich sieht das auch Gideon Bellin. „Ich will Alkohol nicht verteufeln, aber mich stört der Lifestyle dahinter, der gesellschaftliche Zwang.“ Auch er gönne sich ab und zu ein Bier, aber in Maßen. „Gesundheit statt Sucht – ich denke, das ist ein Trend, der dem Zeitgeist entspricht.“ Mit Ruby Warrington plant der Eventmanager übrigens eine Kooperation: „Wir stehen im Kontakt, es sind gemeinsame Veranstaltungen geplant.“

Von Katrin Diederichs


Über den Autor/die Autorin:

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Unter diesem Namen sammeln wir Beiträge von Gastautorinnen und -autoren, Autorenkollektiven oder freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei MADS. Die Namen des jeweiligen Autors oder der jeweiligen Autorin stehen unter dem einzelnen Beitrag.

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