
So war das Konzert von Max Giesinger in Hannover

Max Giesinger hat vor 5000 Fans gespielt – ob „80 Millionen“, „Wenn sie tanzt“ oder „Legenden“: Auf keine Pop-Hymne wurde verzichtet.
Man kann ihm einfach nicht böse sein: Max Giesinger hat vor rund 5000 Fans in der Swiss-Life-Hall ein Wohlfühlkonzert gegeben – eine solide Stimme, eine ambitionierte Band, sympathische Interaktionen mit dem Publikum und jede Menge Pop-Hymnen zum Mitsingen. Wenn Massentauglichkeit das einzige Qualitätskriterium wäre, dann würde der 30-Jährige längst zu den ganz Großen gehören.

Max Giesinger hat vor 5000 Fans in der Swiss Life Hall in Hannover gespielt. Ob „80 Millionen“, „Wenn sie tanzt“ oder „Legenden“: Auf keine Pop-Hymne wurde verzichtet. ZUR GALERIE
Giesingers drittes Album heißt „Die Reise“. Nach „Laufen lernen“ (2014) und „Der Junge, der rennt“(2016) ist auch die neue Platte dem Unterwegssein als Thema auf der Spur. Allein: Unterwegs ist der einstige Kandidat der Castingshow „The Voice of Germany“ so gar nicht. Ob „Legenden“, „Wenn sie tanzt“ oder sein EM-Song „80 Millionen“, auf den die Fans bis zur zweiten Zugabe warten müssen: Die Titel seiner Alben sind austauschbar, eine Entwicklung vom Youtube-Star zum erwachsen gewordenen Singer/Songwriter fehlt.
2014 spielte Giesinger noch vor 150 Fans im Lux
2014 hatte Max Giesinger noch vor knapp 150 Leuten im Lux gespielt, 2016 füllte er schon das Capitol – das „wow, seid Ihr viele, Hannover!“ zur Begrüßung in der fast ausverkauften Swiss-Life-Hall wirkt ehrlich. Die neun weiteren Liebesbotschaften an die Landeshauptstadt wirken nicht ganz so – macht aber nichts. Im Radio hat Giesinger inzwischen mit jedem seiner ausgekoppelten Singles einen festen Platz auf der Playlist. Textsicherheit stellt sich so bei den Zuhörern fast automatisch ein.
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Liebe, Zuhause, Selbstzweifel und einzigartige Momente: Die Themen Giesingers fordern nicht heraus, sie tun nicht weh, sie holen ab. Und das fast jeden. Ob 13-jährige Mädchen oder 70-jährige Männer: Das Konzert in der Swiss Life Hall wird zum Generationentreffen. Hymnenartig singen alle mit, zücken ihr Handy, wenn Giesinger mal auf der Bühne, mal mitten im Publikum, das Gespräch mit seinen Fans sucht. Locker, sympathisch, witzig, von Ecken und Kanten keine Spur – niemand kann ihm böse sein. Und wenn er ganz am Ende noch drei Kinder auf die Bühne holt, um ihnen den Moment des Abends zu schenken, dann hat er auch die letzten Skeptiker zu einem innerlichen „Och, ist der nett“ bewegt.
Weichspüler-Songs sind live ein Erlebnis
Und doch würde man sich wünschen, Max Giesinger wäre eben nicht so nett. Die glatt gebügelte Stimme auf den Studioalben wirkt traurig farblos, wenn man Giesinger einmal live gesehen hat. Da steht ein echter, leidenschaftlicher Musiker auf der Bühne. Einer, der jammt, einer, der experimentiert, einer, der mit breiter Stimme und erstklassiger Band aus Weichspüler-Songs plötzlich akustische Erlebnisse zimmert, die gar nicht austauschbar sein müssten. Wenn Giesinger sich selbst an Gitarre oder Klavier begleitet, dann sind sie da: die kleinen „Wow“-Momente, die den Songs aus dem Radio fehlen.
Vielleicht sind es die Anfänge, aus denen Giesinger herauswachsen muss: Wer vor zehn Jahren noch Straßenmusiker war und seine erste Platte per Crowdfunding finanzieren musste, dem mag der Mainstream eine wohlige Komfortzone bieten. Aber nach fünf Jahren darf Giesingersich nun endlich auf „Die Reise“ machen –zu seinem eigenen Stil, fernab des seichten Pop-Einheitsbreis. Wer „Legenden“ besingt, sollte nicht selbst in der Masse der deutschen Liedermacher untergehen. Da geht mehr.
Von Carina Bahl