
Sexistisch und rassistisch: “True Fruits” teilt aus, kann aber nicht einstecken

Die Smoothie-Marke True Fruits provoziert in ihrer Werbung gern mit sexistischen oder rassistischen Anspielungen, um Aufmerksamkeit zu erzeugen. Im Austeilen ist die Firma aber besser als im Einstecken. Nun geht sie gegen Medien vor.
Es ist nicht leicht, als Hersteller von püriertem Obst Aufmerksamkeit zu erzeugen. Püriertes Obst ist nicht die Bohne sexy. Eine pürierte Banane sieht aus wie eine pürierte Banane. Im Bemühen, wenigstens ein ganz klein bisschen cool zu wirken, hat sich der Bonner Smoothie-Hersteller True Fruits für das Marketinginstrument der Provokation entschieden. Sprüche! Sex! Alarm! Das klappt manchmal, geht aber auch gern nach hinten los. Nähere Auskünfte erteilen die Unternehmen Benetton, Lucky Strike und Sixt.
„Namaste, ihr süßen Pissnelken“
Schon 2017 hatte True Fruits einige seiner Smoothies bei einer Plakatkampagne in Österreich mit Slogans wie „Noch mehr Flaschen aus dem Ausland“ beworben. Das Bild von einer schwarzen Flasche der Sorte „Smoothie White“ betitelte man damals mit „Schafft es selten über die Grenze“. In einer weiterhin abrufbaren Stellungnahme bezeichnete True Fruits diejenigen, die daran Anstoß nahmen, als dumm: „Wenn nun genau diese Gruppe von dummen Menschen (ganz egal ob weiß, schwarz, weiblich, männlich, hetero- oder homosexuell, mit Holzbein oder Sprachfehler) meint ohne mal kurz nachzudenken mit brennender Mistgabel auf die digitalen Barrikaden gehen zu müssen und wie ein pöbelnder Mob Hetze gegen uns zu betreiben, ja dann senden wir ihnen eben ein kräftiges ,Fuck you!'“. Niemand zwinge die „Zwangsempörten“, den „Kram zu kaufen oder unseren Unterhaltungskanälen zu folgen. Euer Puls wird es Euch danken und wir haben unsere Ruhe. Karma tut ihr übriges und alles wird gut. Namaste, ihr süßen Pissnelken“. Das ist der Ton, in dem True Fruits seine Fruchtpürees verkaufen möchte.
Zuletzt gefiel es den True-Fruits-Mixern, einen Pfirsich-Maracuja-Püreesaft namens „Sun Creamie“, dessen Flasche an eine populäre Sonnencreme erinnerte, in sozialen Medien mit folgendem Motiv zu bewerben: ein in Sonnenmilch-Optik gemalter ejakulierender Kritzelpenis auf dem Rücken einer Frau, dazu der Slogan: „Sommer, wann feierst du endlich dein Cumback?“. „Cum“ heißt „Sperma“ auf Englisch, „back“ heißt Rücken. Weißte? Kennste? Penis! Chrchrchrchr.
Frühpubertanten in der Marketingabteilung
Unabhängig von der Frage, ob in der True-Fruits-Marketingabteilung neunjährige Frühpubertanten am Werk sind oder erwachsene Menschen – kurze Frage: Geht’s noch? Aufschrei in den sozialen Medien. 900 Beschwerden erreichten den Deutschen Werberat. Das Gremium beanstandete dieses und ein zweites True-Fruits-Motiv offiziell. Die „provokativen Darstellungen“ überschritten „nicht nur die Grenze des guten Geschmacks, sondern auch zum Vulgarismus“. Die Models würden „in herabwürdigender Art und Weise als Gegenstand sexueller Fantasien und Praktiken dargestellt“. True Fruits fand sich selber aber durchaus lustig und bezeichnete das Motiv gegenüber dem Werberat als kindisch, albern und pubertär, aber nicht als anstößig. Bei Facebook sind weiterhin Werbemotive für „True Fruits“-Produkte mit folgendem Satz abrufbar: „Achtung: Diese Werbung könnte von dummen Menschen missverstanden werden.“
„Man kann auch einfach ein paar Trauben kauen“
Irgendwann ist dann halt aber auch manchmal Schluss mit lustig. Moderatorin Charlotte Roche stieg in die Debatte ein und rief per Instagram dazu auf, keine True-Fruits-Smoothies mehr zu kaufen: „Die Hersteller_innen machen sich lustig über Opfer von sexueller Gewalt“, schrieb sie unter dem Hashtag #boycotttruefruits. Und lieferte auch gleich ein Workaround: „Man kann auch einfach ein paar Trauben und einen Haps Apfel und zwei Blaubeeren solange im Mund kauen und hin und herquetschen bis man einen ganz frischen personalisierten Smoothie hat.“
Das RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) berichtete über Roches Engagement. Und erhielt prompt Post von einer Kölner Anwaltskanzlei. In dem Artikel beanstandete man die Formulierungen, das Unternehmen True Fruits habe „seine Werbestrategie nicht geändert“ und bezeichne „Kritiker als zu dumm, um den Humor zu verstehen“. Beides sei unwahr und verletze die „Unternehmenspersönlichkeit unserer Mandantin“. Daraus ist folgender Schluss zu ziehen: Die Mandantin True Fruits ist im Einstecken weniger talentiert als im Austeilen. Denn tatsächlich war der Motivhinweis „Achtung: Diese Werbung könnte von dummen Menschen missverstanden werden“ nachweislich auch noch nach dem Werberatsärger abrufbar. Und eine Abkehr von der grundsätzlichen Werbestrategie, mit sexuellen Anspielungen bis an die Schmerzgrenze zu gehen, ist auch nicht zu erkennen. Das RND wertet den Vorgang als „Versuch, die freie und unabhängige Presse einschüchtern zu wollen und die Meinungs- und Pressefreiheit durch juristische Drohgebärden zur Maximierung der eigenen Werbe- und Profitinteressen beiseite räumen zu wollen“.
Wer verkaufen will, muss freundlich sein
Wir wissen nicht, ob True Fruits werbestrategisch von Rumpelstilzchen beraten wird oder von Profis. Sicher ist: Es ist niemals eine gute Idee, die eigene Kundschaft zu beschimpfen. Wer verkaufen will, muss freundlich sein. Das lernte zuletzt schmerzhaft der frühere ProSiebenSat.1-Chef Thomas Ebeling, der die Zuschauer seiner Sender in einer Telefonkonferenz als „ein bisschen fettleibig und ein bisschen arm“ bezeichnet hatte. Wenige Wochen später schied er aus dem Amt.
Sollte True Fruits als potenzielle Kunden tatsächlich ausschließlich diejenigen im Auge haben, die sich von der vermeintlich grassierenden politischen Korrektheit provoziert und genervt fühlen, wäre das mit Sicherheit ein verkaufsstrategischer Fehler. Denn die trinken keine Smoothies, sondern eher Doppelkorn. Ansonsten ist es aus gesundheitlichen und seelenhygienischen Gründen immer ratsam, den Fruchtzuckerspiegel in einer gesunden Balance zu halten.
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Von Imre Grimm/RND