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Ist Gen Z die Klimageneration? Drei Perspektiven zum Streitthema Klimaschutz

Ist Gen Z die Klimageneration? Drei Perspektiven zum Streitthema Klimaschutz
Foto: Unsplash/Mika Baumeister

Alle jungen Menschen kämpfen für den Klimaschutz – der Eindruck mag in den vergangenen Jahren entstanden sein. Doch stimmt das wirklich? MADS hat mit drei Menschen gesprochen, die dazu durchaus gegensätzliche Meinungen haben.


Tine ist 20 Jahre alt und demonstriert schon seit mehr als acht Jahren für den Umweltschutz. Sie beteiligt sich auch an Aktionen der Letzten Generation, blockiert Straßen. Für diese Protestform hat Felix wenig Verständnis, grundsätzlich ist Umweltschutz für ihn jedoch ein präsentes Thema. Anders geht es Studentin Laura: Sie möchte über keinerlei Aspekte des Klimawandels mehr nachdenken und sich weniger mit der gesamten Thematik beschäftigen.

Steckbriefe

Foto: privat

Laura: Laura ist 25 Jahre alt und studiert Journalistik in Hannover. Sie versucht, sich von der Thematik des Klimawandels möglichst fernzuhalten. Ihre Einstellung: „Ich möchte mich nicht vom Weltschmerz vereinnahmen lassen, sondern ein positives Leben führen und das Leben genießen.“

Foto: Instagram/ @protect__our__oceans

Tine: Tine ist 20 Jahre alt und studiert Biologie in Berlin. Sie ist seit rund acht Jahren im Meeresschutz aktiv und seit vier Jahren im Klimaaktivismus tätig. Zum Klimawandel sagt sie: „Es ist super ungerechtfertigt, dass wir die Verursacher sind und überhaupt gar nichts mit den Konsequenzen zu tun haben. Es ist unsere Pflicht, etwas zu tun, weil wir die Möglichkeiten haben, was zu verändern.“

Foto: Franz-V. Reitzler

Felix: Felix ist 24 Jahre alt und studiert Public Relations an der Hochschule Hannover. In seiner Freizeit ist er bei den Jungsozialisten der SPD und bei einem Rettungsdienst aktiv. Seine Sichtweise auf die Klimakrise: „Man muss gesamtgesellschaftlich mehr Verantwortung übernehmen – Politik alleine kann es nicht regeln.“

Klimaschutz: Unterschiedliche Lebenseinstellungen

Obwohl sie Angst vor der Klimakrise hat, spielt Klimaschutz in Lauras Leben keine große Rolle. Gerade wegen ihrer Angst versuche sie, diese negativen Gefühle auszublenden, sagt die Studentin. „Nachdem ich immer mehr mit den negativen Nachrichten auf meinem Handy konfrontiert wurde, habe ich entschieden, dass ich erst mal einen kompletten Offline-Urlaub mache“, erzählt sie. „Ich habe mich von dem ganzen Wissen, das ich habe, abgeschottet und das Thema ein bisschen verdrängt.“ Lauras Ziel sei es, ein positives Leben zu führen und es zu genießen, ohne sich für die Umwelt einzuschränken.

Abstand von negativen Nachrichten auf dem Handy: Laura will von der Klimakrise nichts wissen. Foto: Franz-V. Reitzler

Die Angst vor der Klimakrise kennt auch Tine, sie geht damit jedoch anders um. „Ich hatte Phasen, wo es mir mit der Klimaangst sehr schlecht ging, aber inzwischen geht es mir ganz gut. Mir hilft gerade das Handeln der Letzten Generation.“ Nach ihrer jüngsten Aktion mit der Bewegung erwarte sie nun einen Gerichtstermin, doch das hindere sie nicht daran, weiterhin auf Demonstrationen zu gehen, sagt die 20-Jährige. „Ich finde es ungerechtfertigt, dass wir in Deutschland die Verursacher sind und überhaupt gar nichts mit den Konsequenzen zu tun haben“, sagt Tine. Menschen in ärmeren Ländern, die keine Schuld am Klimawandel tragen würden, seien am Ende die, die keine Lebensgrundlage mehr haben werden. „Ich finde, es ist unsere Pflicht, etwas zu tun“, betont sie.

Foto: privat

Die passende Ernährung für den Klimaschutz

Um in ihrem Alltag möglichst klimabewusst zu leben, kaufe Tine beispielsweise ihr Obst und Gemüse regional auf dem Markt. Außerdem containert die Studentin. „Das heißt, ich gehe abends zu Supermärkten und gucke in die Mülltonnen, was da noch drin ist. Das meiste, was ich finde, ist noch super und essbar.“ Der Umwelt zu Liebe ernährt sich Tine zudem vegan.

Auch Laura hat sich für eine längere Zeit vegetarisch ernährt und für ein Jahr sogar vegan gelebt. Inzwischen isst sie aber wieder Fleisch. „In sozialer Hinsicht war es mir einfach zu anstrengend“, erklärt die Studentin ihre Entscheidung. Felix verzichtet, so wie Laura, auch nicht vollkommen auf tierische Produkte. Sein Fleischkonsum habe sich in den vergangenen Jahren zwar reduziert und er probiere gerne Ersatzprodukte aus. Aber: „Ich esse immer noch gerne mal eine Currywurst, ich esse auch noch immer gerne ein Steak. Es kommt, Asche auf mein Haupt, auch mal das Billig-Schnitzel auf den Tisch, weil es einfach günstig ist.“ Zu aller erst seien für ihn nach wie vor Geschmack und Preis entscheidend, sagt der Student.

Wie die 2021 veröffentlichte Trendstudie „Jugend in Deutschland“ zeigt, ernährt sich die Mehrheit der Befragten wie Laura und Felix – ohne sich einzuschränken. Felix entspricht den immerhin 44 Prozent der Befragten, die angegeben haben, alternative Ernährungsformen ausprobieren zu wollen. 16 Prozent halten es wie Tine und leben vegan.

Klimafreundlicher Verkehr

Einen deutlich größeren Klima-Effekt als die Ernährung hat laut Bundesumweltamt aber der Verkehr. Die „Jugend in Deutschland“-Trendstudie zeigt außerdem auf, dass rund 60 Prozent der 14- bis 29-Jährigen nach wie vor regelmäßig privat mit einem Auto unterwegs sind.

Auch hier zählten für Felix andere Werte vor dem Umweltschutz, er hänge an seinem Auto. „Ich kann entscheiden, wann ich losfahre. Ich kann meine Strecke bestimmen. Das kann der öffentliche Personennahverkehr nicht bieten, da gibt es halt noch keinen Ersatz für“, sagt der 24-Jährige. Er nutze es dennoch selten und wolle in Zukunft versuchen, noch öfter darauf zu verzichten. Immerhin fliege Felix der Umwelt zur Liebe nicht mehr in den Urlaub, er verreise nur noch regional, mit dem Zug oder dem Auto, berichtet der Student. „Es ist nicht notwendig mit dem Flugzeug auf die Malediven zu fliegen. Witzige Ironie: Dadurch, dass man fliegt, sind diese in 30 Jahren überhaupt nicht mehr existent. Da kann man sich die nämlich nur noch schnorchelnd anschauen.“

Foto: Franz-V. Reitzler

Felix ist nicht der einzige, der beim Thema Reisen den Klimaschutz im Hinterkopf hat. Laut einer Umfrage von Google und Statista finden 75 Prozent der Befragten Nachhaltigkeit beim Reisen grundsätzlich wichtig. Geht es allerdings darum, den Urlaub tatsächlich nachhaltiger zu gestalten, würden wiederum nur 35 Prozent dafür auch auf Flugreisen verzichten. Bei jungen Erwachsenen (18 bis 24 Jahre) sind es sogar nur 25 Prozent. Sogar die Aktivistin Tine möchte den Flugverkehr nicht ganz ausschließen: „Wenn ich Urlaub machen möchte und das Ziel weiter weg ist, versuche ich, das mit Zug oder anderen Verkehrsmitteln zu schaffen. Aber leider ist das zeitlich gesehen nicht immer möglich.“ Die Studentin versucht jedoch, dafür das Autofahren ganz zu vermeiden. In ihrer Heimat Berlin fährt Tine nur mit dem Fahrrad oder ist zu Fuß unterwegs.

Felix erkennt für sich, dass er persönlich mehr für die Umwelt und für das Klima tun möchte: „Es gibt sehr viele Dinge, wo ich noch nachjustieren kann.“ Wo sich Tine und Felix einig sind: Es muss Veränderungen in der gesamten Gesellschaft und in der Politik geben.

Streitfrage Klimaaktivismus

Tine geht auf die Straße und setzt sich lautstark für den Klimaschutz ein, um politische Änderungen herbeizuführen. „Natürlich wurde versucht mit den Regierungen am Anfang zu reden, und es wurde ganz klar gesagt, wir wollen nicht auf die Straße gehen“, sagt Tine. „Aber es ist nichts passiert.“ Man verstoße ganz bewusst gegen Gesetze um zu sagen: „Ihr als Regierung habt jetzt mit uns ein Problem.“

Das sieht Felix kritisch: „Dieses sehr egoistische Verständnis, dass mein Zweck jetzt alle Mittel heiligt, ist definitiv nicht die Möglichkeit, die Politik zu erreichen.“ Die grundsätzliche Idee der Aktivistinnen und Aktivisten sei zwar gut, doch Aktionen der Letzten Generation wirken auch abschreckend. Straftaten seien eine Grenze, erklärt er und beklagt einen mangelnden Diskurs. Für Felix ist es ein Irrglaube, dass man über die normalen politischen Wege nichts erreichen könne.

Foto: privat

Klaus Hurrelmann ist Sozial-, Bildungs- und Gesundheitswissenschaftler an der Hertie School in Berlin. Er beschäftigt sich mit den sehr unterschiedlichen Sichtweisen auf die Klimakrise – auch bei Jugendlichen. Etwa 40 Prozent der jungen Leute machten den Klimawandel, die Bedrohung der Umweltressourcen und die Bedrohung der Lebensfähigkeit auf der Erde zu ihrem entscheidenden Thema, sagt Hurrelmann. „Für weitere 30 Prozent ist das ein wichtiges Thema, aber sie sehen auch die anderen Probleme stark.“ Die verbleibenden 30 Prozent der jungen Menschen beschreibt Hurrelmann als gänzlich desinteressiert – solche Menschen hätten auch kein Verständnis für Aktivisten wie Tine.

„Umweltschutz nicht weit genug gedacht“

Bei den drei Studierenden fällt der Blick in die Zukunft ebenso unterschiedlich aus, wie der Umgang mit dem Klimaschutz im Allgemeinen. Laura glaubt, dass „Akzeptanz und Toleranz wichtig sind, sodass jeder so leben darf wie er möchte“. Sie hat aber auch eine Bitte an die Politik: „Ich würde mir wünschen, dass größere Firmen mehr herangezogen werden, dass die mehr Umweltschutz betreiben, als das immer nur der Endverbraucher alles ausbaden oder boykottieren soll.“

Für Felix hingegen wird der Umweltschutz in Zukunft ein „Kompromiss mit den sozialen Aspekten sein“. Er habe Verständnis dafür, dass dies vielen Aktivistinnen und Aktivisten nicht reiche, doch Klimaschutz allein sei nicht weit genug gedacht. Aktivistin Tine hofft, dass sich die Fronten lockern und die Diskussionen gemeinsam statt gegeneinander stattfinden werden. Besonders optimistisch ist sie jedoch nicht: „Ich vermute, dass die Regierungen nicht schnell genug handeln. Ich hoffe immer noch, aber je mehr Zeit verstreicht, desto weniger sehe ich das.“

Von Alex Frieling, Ina Krüer, Franz-V. Reitzler


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