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Hochstapler-Syndrom: Die Angst überschätzt zu werden

Hochstapler-Syndrom: Die Angst überschätzt zu werden
Foto:  Alexander Heinl/dpa

Gutes Timing, einfach Glück oder Wohlwollen anderer: Wer eigene Erfolge nur auf äußere Umstände zurückführt, kann am Hochstapler-Syndrom leiden. Dabei ist das Syndrom eigentlich gar kein Syndrom.


Da sind sie wieder: die feuchten Hände, der Knoten im Bauch, das pochende Herz und diese bohrende Frage: Was, wenn jemand merkt, dass ich das alles gar nicht kann? Selbstzweifel kommen meistens mit neuen Herausforderungen: dem Bewerbungsgespräch, dem neuen Job oder dem Vortrag vor großem Publikum.

Selbstzweifel sind komplett normal, das haben alle Leute, die in eine neue Position hinein gehen“, sagt Monika Klinkhammer, Supervisorin und Coach in Berlin. Für manche Menschen jedoch werden die Zweifel zu Lebensbegleitern, das ständige Hinterfragen der eigenen Leistungsfähigkeit wird zur Qual.

Das Hochstapler-Syndrom ist eigentlich kein Syndrom

Hochstapler- oder Impostor-Syndrom nennt man dieses Phänomen, das eigentlich gar kein Syndrom ist. „Es handelt sich nicht um eine Störung oder Krankheit, sondern um ein Persönlichkeitsmerkmal“, sagt Sonja Rohrmann, Psychologieprofessorin an der Universität Frankfurt, die ein Buch zum Thema verfasst hat.

Das Impostor-Selbstkonzept, wie Rohrmann es bezeichnet, wurde in den 1970er Jahren bekannt. Damals schrieben Wissenschaftler erstmals über Menschen, die eigentlich sehr erfolgreich sind, aber das Gefühl haben, zu Unrecht in ihre berufliche Position gekommen zu sein.

Betroffene leben in ständiger Angst – dass sie überschätzt werden

Wer unter dem Hochstapler-Syndrom leidet, kann den eigenen Erfolg nicht als selbst gemacht anerkennen, sondern führt ihn auf äußere Umstände zurück. Betroffene leben in ständiger Angst, dass irgendwann jemand merken könnte, dass sie eigentlich gar nicht so viel leisten können, wie ihr Umfeld annimmt.

Die Ursachen für das Hochstapler-Syndrom können vielfältig sein. „Es ist eine Wechselwirkung zwischen Anlage, also einer Persönlichkeitsstruktur, die eher ängstlich, emotional labil oder introvertiert ist, und bestimmten umweltbedingten Einflussfaktoren“, erklärt Rohrmann. Die Wissenschaft geht derzeit davon aus, dass bestimmte familiäre Strukturen die Ausprägung fördern können. „Wenn in der Familie ein sehr hoher Leistungsanspruch besteht und die Kinder das Gefühl haben, dass der Wert ihrer Person von ihrer Leistung abhängt.“

Familiäre Rollen können Ausprägung verstärken

Rollenzuschreibungen können das Hochstapler-Syndrom verstärken. Wenn etwa die Rolle des Intelligenten in der Familie bereits besetzt ist und die betroffene Person selbst eher für charmant oder hübsch gehalten wird, „so kann das Gefühl entstehen, die Rolle des eigenen Erfolgs nicht zu verdienen, weil die anderen ja eigentlich die Schlauen und Intelligenten sind“, erklärt die Professorin.

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Laut der psychologischen Beraterin Gunta Saul können die Selbstzweifel damit zusammenhängen, welche Position man im Leben meint erreichen zu müssen. „Es könnte zum Beispiel sein, man glaubt, man müsse auf jeden Fall der Beste sein, und es muss einem zusätzlich alles noch besonders leicht gelingen.“

Arbeitstagebücher können Betroffenen helfen

Abhängig davon, wie stark das Syndrom ausgeprägt ist, kann es zu depressiven Verstimmungen führen. Perfektionismus und der Drang, die scheinbare Fassade aufrecht erhalten zu müssen, können einen Arbeitswahn auslösen, bis hin zum Burnout. Doch häufig merkten die Menschen selbst gar nicht, dass sie betroffen sind, hat Saul beobachtet. Als Coach setzt sie auf Methoden wie Arbeitstagebücher. „Um sich bewusst zu machen, dass das Produkt überhaupt nicht vom Himmel gefallen ist.“

Laut Monika Klinkhammer hilft es, sich klarzumachen, wie viele Menschen die eigene Leistung bereits honoriert haben und dass der Erfolg kein Zufall sein kann. Gespräche mit Vertrauten könne man nutzen, „um die Situation zu relativieren“, sich einerseits Mut und andererseits ein ehrliches Feedback zu holen. Denn auch, wenn man glaubt, beim letzten Vortrag versagt zu haben – Monika Klinkhammer weiß: „Meist nimmt das Umfeld die Situation ganz anders wahr als man selbst.“

Von RND/dpa


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