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Grönlands Eisschmelze: Folgen für die ganze Welt

Grönlands Eisschmelze: Folgen für die ganze Welt
Foto: Felipe Dana/AP/dpa

Grönland ist derzeit in den Schlagzeilen, weil US-Präsident Trump es angeblich gerne kaufen würde. Aber viel dramatischer ist die Veränderung der Umwelt, die sich dort abspielt – eine massive Eisschmelze mit Folgen für die ganze Erde.


Gletscher Helheim. Das Eis, auf dem David Holland steht, ist tausende Jahre alt. In ein oder zwei Jahren wird es verschwunden sein und den ohnehin schon ansteigenden Meeren noch mehr Wasser zufügen. Holland ist Wissenschaftler an der Universität New York und verfolgt, was sich in Grönlandvollzieht: ein dramatisches Schrumpfen der Eismassen, vor allem deshalb, weil sich das Klima so erwärmt hat.

Grönland: Temperaturen steigen an

Die langfristigen Folgen für die ganze Welt sind enorm. Hier, auf dieser Insel inmitten des nördlichen Polarkreises, steht sozusagen die Kühlschranktür der Erde offen, wie Wissenschaftler erklären. Es ist hier, wo eine wässrigere und wärmere Zukunft des Planeten vorgezeichnet wird, wo Gletscher dahinschmelzen und Ozeane anzuschwellen beginnen. So hoch sind die Lufttemperaturen in Grönland, dass Holland und andere Forscher an einem jüngsten August-Tag ihre Mäntel ablegten und ohne Handschuhe auf dem schmelzenden Eis arbeiteten. In Kulusuk, einer der nahe gelegensten Siedlungen, zeigte die Quecksilbersäule kürzlich an einem Morgen 10,7 Grad Celsius.

Rekordsommer: Eis schmilzt rapide

Es ist ein Sommer der Rekordtemperaturen für Grönland – Wissenschaftler schätzen, dass bis zum Herbst mindestens 400 Milliarden Tonnen Eis von der riesigen Eisdecke der Insel weggeschmolzen oder abgebrochen sein werden. Das ist genug, um beispielsweise Griechenland etwa 35 Zentimeter hoch unter Wasser zu setzen. Allein innerhalb von vier Tagen im August sind mehr als 53 Milliarden Tonnen Eis von der Oberfläche weggeschmolzen. Das liegt gut 40 Milliarden Tonnen über dem Durchschnitt in dieser Jahreszeit. Und diese 53 Milliarden schließen nicht einmal das Abbrechen von Eis – für sich genommen schon gewaltige Vorgänge – oder das Wegfressen der Gletscher von unten durch warmes Wasser ein.

Eisschmelze wegen Klimawandel und Witterung

Wissenschaftler wie der Luft-und Meereskundler Holland und der Ozeanograph Josh Willis von der Weltraumbehörde Nasa meinen, dass die Eisschmelze auf eine Kombination von zwei Faktoren zurückzuführen ist: durch Menschen erzeugter Klimawandel und natürliche, aber seltsame Witterungsabläufe. Gletscher auf Grönlandschrumpfen in der Regel im Sommer und wachsen im Winter – aber nicht in diesem Jahr.

In Summit Station, einem in fast 3200 Kilometern Höhe und weit nördlich gelegenen Forschungscamp, wurden beispielsweise 2019 zwei Mal Temperaturen über dem Gefrierpunkt gemessen – mit einer Rekorddauer von zusammengenommen 16,5 Stunden. Davor hatte die Quecksilbersäule 2012 etwa 6,5 Stunden lang die Nullmarke überschritten, ein weiteres Mal kam das 1889 und im Mittelalter vor.

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Prognose: Grönlands Eisschicht schrumpft weiter

Insgesamt reicht der Sommer 2019 in seinen Extremen fast an 2012 heran – Wissenschaftlern zufolge Grönlands bislang schlimmstem Jahr der Eisschmelze in der modernen Geschichte. Und die Zukunft sieht noch düsterer aus. „Nach Vorhersagen anhand von Klimamodellen können wir erwarten, dass größere Gebiete der Eisdecke über eine längere Zeitspanne im Jahr hinweg Schmelze erleben und größere Verluste auftreten“, sagt Tom Mote, Eisforscher an der Universität von Georgia. „Es gibt allen Grund zur Annahme, dass Jahre wie dieses häufiger vorkommen werden.“

Wissenschaftliche Erkenntnisse zuhauf untermauern diese alarmierende Prognose. So zeigen etwa Nasa-Satellitendaten, dass Grönlands Eisschicht zwischen 2003 und 2016 pro Jahr ungefähr um 255 Milliarden Tonnen abgenommen hat, wobei die Verlustrate im Laufe der Zeitperiode generell schlimmer wurde. So sind fast alle der 28 grönländischen Gletscher, die beispielsweise von der dänischen Klimaforscherin Ruth Mottram gemessen wurden, am Schrumpfen.

Gletscher Helheim verliert am meisten Eis

Das gilt insbesondere für Helheim am südöstlichen Rand der Insel. Er zählt zu den Gletschern Grönlands, die am stärksten zurückgehen: Rund zehn Kilometer sind es seit Messungen im Jahr 2005 schon gewesen. 70 bis 100 Meter hohe Eiskliffe markieren die Linie zwischen der noch festen Gletscherdecke und abgebrochenen Überbleibseln: Meereseis, Schnee und Eisberge. Holland und seine Forscherkollegen sehen beim Überfliegen im Helikopter eine weiße Landschaft mit häufigen Wasseransammlungen in einem glimmernden, fast fluoreszierenden Blau.

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Warmes Golfstrom-Wasser sorgt für schnelle Eisschmelze

Das Wissenschaftler-Team ist gekommen, um Radar- und GPS-Technik zu installieren. Die Geräte sollen helfen, die Eisbewegungen zu verfolgen und zu erklären, warum salzhaltiges warmes Wasser, das von unten am Gletscher nagt, an die Oberfläche sprudelt. Holland und auch Willis von der Nasa vermuten, dass solches Wasser – zum Teil aus dem Golfstrom in Nordamerika – eine größere Rolle bei der Eisschmelze in Grönland spielt als früher gedacht. Und wenn es so ist, wäre das wahrscheinlich eine schlechte Nachricht für den Planeten, denn es würde eine schnellere sowie stärkere Eisschmelze und ein höheres Ansteigen der Meeresspiegel bedeuten.

Schallwellen breiten sich in dieser einsamen, entlegenen Helheim-Landschaft leicht über Kilometer hinweg aus. Alle paar Minuten hört man ein schwaches Grollen ähnlich wie Donner. Aber es gewittert nicht: Es ist Eis, das bricht.

Einwohner freuen sich über Sommer – Wissenschaftler sind alarmiert

Mugu Utuaq lebt etwa 40 Hubschrauber-Minuten entfernt im kleinen Kulusuk. Als er noch ein Junge war, dauerten Winter bis zu zehn Monate lang, erinnert er sich. Jetzt können sie kurz sein, vielleicht gerade mal fünf Monate. Auch Bürgermeister Justus Paulus sieht einen starken Unterschied zu seinen Kindheitserfahrungen, findet jedoch gute Seiten in den wärmeren Temperaturen. „Wir haben gern einen Sommer“, sagt er. Aber Holland blickt von seinem Basislager auf den Helheim-Gletscher und sieht ein größeres Bild. Es ist nicht gut, wie er sagt. Nicht gut für hier, Grönland, und nicht gut für die Erde insgesamt.

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RND/AP


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