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Der neue “Asterix”: Greta bei den Galliern

Der neue “Asterix”: Greta bei den Galliern
Foto: Quelle: Egmont Ehapa Verlag/Asterix,Obelix

Vor 60 Jahren erschien der erste „Asterix“-Band – im neuen Comic spielt ein aufständisches Teenagermädchen die Hauptrolle. Der Konflikt Alt gegen Jung erreicht die “Asterix”-Welt.


Beim Teutates, wie die Zeit vergeht. Seit 60 Jahren schon kämpfen widerstandsfreudige Gallier in einem kleinen gallischen Dorf in der Nähe der römischen Lager Kleinbonum, Laudanum, Babaorum und Aquarium. Seit 60 Jahren beschwert sich Obelix, dass er keinen Zaubertrank trinken darf, weil er als Kind in einen Kessel mit dem kraftspendenden Gebräu gefallen ist. Seit 60 Jahren hält gemeinsam mit Obelix der kleine listige Asterix die Römer in Schach. Pünktlich zu diesem runden Geburtstag ist jetzt ein neuer „Asterix“-Band erschienen.

Erstmals seit Grautvornix in „Asterix und die Normannen“ (1967) steht in „Die Tochter des Vercingetorix“ ein Teenager im Mittelpunkt der Geschichte. Adrenaline ist die Tochter des Gallierfürsten Vercingetorix, der sich in der Schlacht von Alesia den Römern geschlagen geben musste. Seitdem gilt Gallien als besiegt. Ganz Gallien? Nein, ein von unbeugsamen Galliern bevölkertes Dorf hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten…

Im Mittelpunkt steht der Konflikt zwischen Jung und Alt

Nun bringen zwei Averner (die wie immer in „Asterix“ das „S“ nur als „Sch“ aussprechen können) die Tochter des Ex-Helden und Kriegsverlierers ins gallische Dorf. Adrenaline hat von ihrem Vater einen Wendelring – einen Halsreif für verdiente Krieger – bekommen. Hinter diesem Schmuckstück ist Caesar her, er hat Angst, dass sich hinter dem Symbol Aufständische versammeln könnten. Und er will das rothaarige Mädchen zur Römerin umerziehen. Bevor Adrenaline nach Londinium (London) in Sicherheit gebracht werden kann, soll sie sich im gallischen Dorf verstecken. Asterix und Obelix übernehmen die Security der jungen Dame. Doch natürlich büxt sie aus, und das Abenteuer beginnt.

Alesia war bislang ein großes Tabuthema. „Alesia? Ich kenne kein Alesia! Ich weiß nicht, wo Alesia liegt! Niemand weiß, wo Alesia liegt“, mit diesen Worten verdrängte Veteran Majestix bislang das gallische Trauma. Nun erfahren „Asterix“-Fans erstmals mehr über die große Niederlage. Was bisher bekannt war: An deren Ende schleuderte Vercingetorix seine Waffen zu Füßen Caesars – genauer gesagt auf seinen Fuß. Diese Szene aus dem Band „Asterix und der Avernerschild“ taucht im neuen Teil als Erinnerungssequenz wieder auf.

Im Mittelpunkt der Geschichte steht aber der Konflikt zwischen Jung und Alt. Adrenaline freundet sich mit Aspix, dem Sohn des Fischhändlers Verleihnix, und Selfix, dem Sohn des Schmieds Automatix, an. Die „Asterix“-Autoren gehen mit der Zeit, die Jugendlichen begrüßen sich nicht per Handschlag, sondern mit Ghettofaust. Die beiden sind zwei junge kritische Weltverbesserer, die sich sogar mit Obelix anlegen: „Hinkelstein und Zaubertrank sind die Stützen des Wildschweinesystems“, schleudern sie ihm in altlinker Manier entgegen. Und als sie auf dem Meer leere Amphoren entdecken, sagen sie: „Ah, typisch. Dieses gedankenlose Konsumieren! Und der Müll landet im Meer!“ Greta und die Fridays-for-Future-Bewegung hat nun also auch die Welt des Asterix erreicht.

Anspielungen auf politische und historische Ereignisse bleiben selten

Für Obelix ist dies – wie in der Realität für viele Nichtmehrjugendliche auch – nicht leicht. Irgendwie will er zu den jungen Menschen dazugehören, aber auf alte Gewohnheiten wie den Wildschweinbraten nicht verzichten (was er, so viel darf verraten sein, im traditionellen Schlussbild auch nicht macht).

Zeichnerisch bleibt Didier Conrad, der gemeinsam mit Jean-Yves Ferrinun den vierten „Asterix“-Band vorlegt, eng an Ur-Zeichner Uderzo. Bei den ersten drei „Asterix“-Bänden des neuen Duos hagelte es – zu Recht – viel Kritik. Dieser ist ihr bislang bester. Doch hätten einige Anspielungen auf zeitgenössische Themen, einige Querverweise auf Konflikte zwischen Alt und Jung sicherlich noch Platz gehabt. So bleibt die Geschichte nett, aber auch leider recht eindimensional. Das Geheimnis der Geschichten des heute 92-jährigen Zeichners Uderzo und des früh verstorbenen Texters René Goscinny war ja immer, dass sie reich an Anspielungen auf politische und historische Ereignisse waren. Dies ist ein wenig verloren gegangen.

In den vergangenen 60 Jahren sind „Asterix“-Bände nach Verlagsangaben in 111 Sprachen und Dialekten erschienen. Dass Asterix seit dem ersten Band „Asterix, der Gallier“, der am 29. Oktober 1959 erschien, zu einem Weltstar werden konnte, liegt sicherlich auch in der Grundkonstellation: Der Kampf Klein gegen Groß, Unterdrückte gegen Unterdrücker ist ein weltweit beliebtes Motiv.

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Ein Erfolgsfaktor der Serie sei auch, dass die beiden Helden sich auf Reisen in andere Länder begeben, sagt der Aachener Asterix-Experte und Althistoriker Jörg Fündling: „Asterix war immer eine europäische Angelegenheit.“ In Geschichten wie „Asterix bei den Briten“ und „Asterix in Spanien“ erkunden die beiden Gallier fremde Nationen. Dabei werden gängige Klischees und Eigenheiten der jeweiligen Länder auf freundliche Weise persifliert. In „Die Tochter des Vercingetorix“ brummelt Obelix dann auch voller Fernweh: „Weißt du, Asterix, ich frage mich, ob mir so ein Auslandseinsatz nicht lieber ist. Man besichtigt, probiert die lokalen Spezialitäten…“ Aber passend zur heutigen Zeit gibt es im gallischen Dorf vor der eigenen Haustür genügend Probleme, da muss das Abenteuer in der Ferne ein wenig warten.

In Deutschland kommt dazu, dass hierzulande der Lateinunterricht bis heute sehr beliebt ist. In den Geschichten lassen die Römer gern mal ein Lateinzitat fallen. Weil sie aber stets unterlegen sind, wird auch die hohe Bildung von den lebensklugen Protagonisten Asterix und Obelix immer ein wenig vom Sockel geholt.

Die Asterix-Geschichten mit ihren historischen und gesellschaftspolitischen Anspielungen haben in der Vergangenheit zudem das Image von Comics im deutschen Bildungsbürgertum verbessert. Bis dato galten Comics als Schmuddellektüre. Dass die „Asterix“-Bände auf mehreren Ebenen zu lesen sind, haben sie allerdings nicht exklusiv. Wer etwa die ersten Bände der „Schlümpfe“ von Peyo liest, wird auch dort viele Anspielungen auf Politik und Geschichte finden. So erzählt „Schlumpfissimus, König der Schlümpfe“ parabelhaft, was passiert, wenn ein Machtvakuum entsteht, sich irgendjemand unlegitimiert die Macht schnappt und sich deshalb bei anderen Widerstand regt.

Bislang verkauften sich von den „Asterix“-Bänden weltweit rund 380 Millionen Exemplare. Der neue Band kommt mit einer Auflage von fünf Millionen auf den Markt. Heute müssen sich der kleine Kluge und der etwas naive Dicke (Obelix: „Dick?! Ich bin nicht dick!“) viel mehr als noch vor zwei, drei Jahrzehnten einer großen Konkurrenz auf dem Comicmarkt erwehren. Graphic Novels gelten mittlerweile nicht mehr als niedere Kunst, sondern werden genauso ernst gelesen und besprochen wie klassisch erzählte Bücher. In diesem Markt müssen sich die „Asterix“-Autoren weiterhin ihre Nische bewahren. Das kann ihnen nur gelingen, wenn sie zeitgemäß bleiben, ohne sich der Gegenwart anzubiedern. Sonst heißt es irgendwann auch für eigentlich unsterbliche Helden: Mehrgehtnix. Und das wäre – beim Teutates – verdammt schade.

Jean-Yves Ferri, Didier Conrad: „Die Tochter des Vercingetorix“. Egmont. 48 Seiten, 12 Euro (Hardcover) bzw. 6,90 Euro (Softcover).

Von Kristian Teetz/RND


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