
Aida-Kapitän: „Warnemünde ist außergewöhnlich“

Dieser sehr schlanke, fast jugendlich wirkende Mann mit dem festen Händedruck, der beim Gespräch Blickkontakt hält und eher zurückhaltend als forsch spricht, der freundlich lächelt und so angenehm unchefig wirkt, dieser Mann soll Kapitän auf einem Schiff mit 6500 Passagieren und einer 1400 Frauen und Männer zählenden Mannschaft sein? Ja.
Falk Bleckert, aus Bad Doberan und 37 Jahre alt, ist der erste Mann an Bord der „AIDAnova“ der Rostocker Reederei Aida Cruises – ein Kreuzliner, der mit Flüssiggas angetrieben wird. Der 1,84 Meter große Kapitän trägt Zivil, weil er gerade nicht fährt. „Nach zweieinhalb bis drei Monaten auf See werde ich abgelöst“, sagt Bleckert, der in diesen Tagen zum zweiten Mal Vater wird.
Schon der Vater war Seemann
Aufgewachsen ist der Nautiker in Bad Doberan. Schon der Vater war Seemann und stand als Chief Engineer (Leitender Ingenieur) in Diensten der Aida-Flotte. Dadurch kam der Sohn zu einem Praktikum. Und das wirkte. „Dazu kam der glückliche Umstand, dass ich nach dem Abitur bei Aida eine Schiffsmechanikerlehre beginnen konnte“, erzählt Bleckert. Ein Nautikstudium in Warnemünde folgte, in den Semesterferien fuhr er als Matrose auf Aida-Schiffen. Ab 2008 durchlief der Absolvent der Seefahrtsschule sämtliche nautische Ränge. Sieben Jahre später hatte er sein erstes Kommando als Kapitän auf der „Aida Stella“. Da war er 32 Jahre alt.
Kapitän Bleckert wird nicht seekrank, sagt er. Und wenn doch, würde er es nicht sagen, scherzt er. „Ein bisschen Seegang gehört zu einer Seefahrt dazu.“ Am besten, man esse dann normal und sucht sich am Horizont einen Fixpunkt. Doch normalerweise fahre man dort, wo das Wetter schön ist. Wird das Wetter zu ungünstig, könne die Route geändert werden, damit nicht zu viele Passagiere oder Crewmitglieder mit einer „grünen Nase“ herumlaufen müssen.
Volle Konzentration beim An- und Ablegen
Sind manchmal Prominente an Bord? „Über die, die privat auf eine Reise gehen, rede ich nicht. Aber wir haben auch Promis an Bord, die von Aida gebucht werden, zum Beispiel der bekannte Koch Tim Mälzer.“ Welche Fragen stellen Passagiere am häufigsten an den Kapitän? „Sie sind hier? Und wer steuert jetzt das Schiff?“ Neun Nautiker sind an Bord, darunter der Schiffsführer, und können das Schiff steuern, jeweils zwei sind immer auf der Brücke.
Wann muss sich der Captain besonders konzentrieren? „In Landnähe sind wir extrem aufmerksam, ebenso beim Anlegen und Ablegen.“ Bleckert erläutert, dass „jedes Manöver bei einer Teambesprechung vorbereitet wird“. Sein Motto: Der Erfolg muss organisiert werden. „An Bord geht nichts mal eben so schnell aus der Hüfte; auch wenn alles vielleicht leicht und spontan aussieht – alles ist durchorganisiert.“ Deshalb empfinde er sich auch nicht als wichtigsten Menschen auf dem Schiff. „Das Team muss in sich funktionieren, alle müssen zusammen kooperieren, trotz aller Befindlichkeiten, die es geben kann oder persönlicher Sorgen, die es natürlich auch hier geben kann.“
Täglich Kontakt mit der Familie
Zum Glück gibt es heutzutage technische Kommunikationsmöglichkeiten, die einen täglichen Kontakt, etwa mit der Familie, zulassen. „Wenn ich unterwegs bin, kann ich über Satellit jeden Tag mit meiner Frau und meinem Sohn sprechen und muss nicht, wie es vor gar nicht langer Zeit in der Seefahrt noch üblich war, Briefe schreiben, die erst Wochen später zu Hause ankommen.“
Wohin fährt ein Kapitän in den Urlaub? „In die Berge.“ Im Winter zum Skifahren, im Sommer zum Bergsteigen. Aber eigentlich sei es hierzulande schön genug, zum Beispiel am Strand zwischen Kühlungsborn und Börgerende.
Was sagt die Frau dazu, dass er wochenlang nicht zu Hause sein kann? „Sie hat Verständnis dafür und weiß, dass ich keinen Job habe, sondern eine Berufung.“ Ihn fasziniere die Seefahrt. Und dass seine Frau im gleichen Unternehmen arbeitet, ist auch ein glücklicher Umstand. Haben denn beide auf einem Schiff geheiratet? „Nein, in Österreich.“
Warnemünde ist am schönsten
In welchen Hafen läuft er am liebsten ein? „In Warnemünde ein- oder auszulaufen, ist ein Erlebnis!“, antwortet der Doberaner sofort. „Im Verhältnis zu anderen Fahrgebieten ist Warnemünde außergewöhnlich – nirgendwo wird man von so vielen Menschen am Ufer so toll verabschiedet wie hier.“
Falk Bleckert braucht nach jeder Reise ungefähr ein, zwei Wochen, um sich an die Umgebung außerhalb seines Schiffes zu gewöhnen. „Zum Beispiel grüße ich im Supermarkt in den ersten Tagen oft Leute, die ich nicht kenne. Aber da ich auf dem Schiff Gastgeber bin, habe ich mich an das Grüßen aller Leute gewöhnt.“ Doch relativ schnell merke er, auch im Supermarkt, dass er zu Hause in Mecklenburg sei, sagt er schmunzelnd.
Überhaupt: zu Hause. „Der Takt wird von den Kindern vorgegeben, nicht von mir. Das ist schön, normal und erdet mich“, schwärmt der Kapitän ein wenig vom Familienleben. Das wartet jetzt auch nicht. „Ich muss 14 Uhr meinen dreijährigen Sohn vom Kindergarten abholen.“ Außerdem müsse er noch zu einem Baumarkt. Dübel, Schrauben, so was eben.
Und jeden Moment kann das Baby zur Welt kommen.
15 000 Frauen und Männer aus 40 Nationen beschäftigt die Reederei Aida Cruises auf den 14 Schiffen sowie an den Standorten Rostock und Hamburg.
Aida bietet seeseitig die Studiengänge Nautik, Schiffselektrotechnik und Schiffsbetriebstechnik an. Angehende Absolventen dieser Fächer beginnen mit einem zweiwöchigen Ausbildungstörn auf dem Segelschulschiff „Grossherzogin Elisabeth“.
Für die Aktivitäten an Land bildet Aida Tourismuskaufleute, Mediengestalter, Industriekaufleute und Kaufleute im E-Commerce aus.
Info: aida.de/careers
Das Schiff von Kapitän Falk Bleckert ist hier zu sehen: https://aida.de/kreuzfahrt/schiffe/aidanova
https://www.ostsee-zeitung.de/Nachrichten/MV-aktuell/Ich-fahre-hier-eine-Kleinstadt-durch-die-Gegend
Von Klaus Amberger