Tobi ist männliche Hebamme: „Für den Beruf braucht man Mut und Überzeugung“
Tobi Richter ist Hebamme – und einer von wenigen Männern in diesem Beruf. MADS hat er erzählt, was ihn an seiner Arbeit begeistert und wie er mit Ablehnung im Kreißsaal umgeht.
Beim Wort Hebamme denken wohl die allermeisten Menschen an eine Frau – dass es auch männliche Hebammen gibt, ist vielen nicht bewusst. Das könnte daran liegen, dass es so wenige sind: Laut der Wissenschaftlerin Cornelia Schwenger-Fink von der Fachhochschule des Mittelstands gab es 2022 Schätzungen zufolge nur sechs bis 30 männliche Hebammen in Deutschland. Eine davon ist Tobi Richter. Der 25-Jährige arbeitet seit fünf Jahren in dem Beruf und sagt: „Das ist das, was mir Spaß macht und mich begeistert.“
Seine Mutter habe lange als Hebamme gearbeitet, erzählt Tobi. Er wisse also seit seiner Kindheit, was es bedeutet, Hebamme zu sein. Als in der neunten Klasse ein Berufspraktikum ansteht, entscheidet er sich erst für die Krankenpflege – und merkt bald, dass diese ihm nicht liegt. Dann macht er ein Praktikum im Kreißsaal und weiß nach kurzer Zeit, dass er Hebamme werden will.
Nach dem Schulabschluss beginnt er 2015 die Ausbildung in Erfurt, damals noch zum sogenannten Entbindungspfleger. Durch das Hebammengesetz, mit dem 2020 der Studiengang Hebammenwissenschaft eingeführt wurde, kann Tobi ganz offiziell die Berufsbezeichnung Hebamme führen. Die Änderung der entsprechenden Dokumente, auf denen „Entbindungspfleger“ stand, hat er damals sofort beantragt. Denn er pflege nicht, sondern betreue, und das nicht nur unter der Entbindung, sondern auch in den Wehen und später im Wochenbett.
Männliche Hebamme: Manche Mütter lehnen Tobi ab
Am tollsten seien die Geburten, erzählt Tobi. „Das ist das Spannendste an unserem Beruf.“ Auf die Entbindung arbeiten Hebamme und Eltern gemeinsam hin. „Wenn man die ganze Zeit zusammengearbeitet hat, die Wehen begleitet hat und dann das Kind gleich kommt – das ist der spannendste Moment, der immer noch mit Adrenalin verbunden ist.“
Miterleben zu dürfen, wie neues Leben auf die Welt kommt, bezeichnet Tobi als Privileg. „Deswegen bin ich Hebamme geworden.“ Manchmal werde er von werdenden Eltern auch abgelehnt, meist aus religiösen oder kulturellen Gründen, manchmal auch, weil eine werdenden Mutter sexualisierte Gewalt erlebt habe oder es ihr schlicht unangenehm sei. „Das ist dann halt einfach so.“
Auf Instagram zeigt Tobi seinen Arbeitsalltag
In solchen Fällen tauschen die Hebammen untereinander, damit sich die Mutter wohlfühlt. Denn wie Mutter und Hebamme miteinander harmonieren, beeinflusst den Verlauf der Geburt. Eigentlich, sagt Tobi, könne er damit umgehen, wenn ihm Ablehnung oder Überraschung entgegenschlagen. Manchmal sei es aber auch ein bisschen nervig, auf das Geschlecht reduziert zu werden – „und gar nicht auf die Fachkompetenz“.
Es gebe jedoch auch viel positives Feedback von den Müttern, die er betreut, und in seinem persönlichen Umfeld sowieso. Noch während seiner Hebammen-Ausbildung richtet er einen Instagram-Account ein, auf dem er Eindrücke seiner Arbeit teilt. Mittlerweile hat das Profil „Hebamme Tobi“ mehr als 6000 Follower. Er wolle zeigen, was er macht, und sich mit anderen Hebammen vernetzen, sagt Tobi. Und Menschen aktiv für seinen Beruf begeistern, denn es gebe längst nicht genug Hebammen in Deutschland.
Darauf macht Tobi auch auf seinem Instagram-Profil aufmerksam. Er verbirgt nicht, dass die Arbeitsbelastung manchmal hoch ist. Er sagt: „Man braucht Willen, Mut und Überzeugung, um diesen Beruf zu machen.“ Man müsse am Ball bleiben, dann gebe einem die Arbeit viel zurück. Mit seinem Instagram-Kanal möchte sich Tobi nicht explizit an männliche Hebammen, sondern an alle wenden. „Es ist egal, welches Geschlecht du hast: Wenn dich der Beruf interessiert, dann mach das einfach.“
Von Franziska Wessel
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